Wenn sich erste herbstliche Farben in ziemlich grandiose Aussichten unter dem klaren Himmel mischen, dann passiert etwas in diesem Land. Heerscharen von Schweizer Wandervögeln zieht es mit aller Macht hinauf in die Berge. Vielleicht nehmen sie dann auf ihrem freudseligen Streifzug etwas wahr, das anders ist als im Sommer. Vielleicht mehr unbewusst. Es geht nicht um das Sehen der bunten Farben. Sondern um einen anderen Sinnesreiz: das Riechen. Der holzig-lederne Geruch des Laubwaldbodens. Die Brombeer-Note des trocknenden Heus. Die zarte Süsse der prallen Äpfel. Es ist ein olfaktorischer Schub. Mit der reifenden Natur entfalten sich die Aromen der Natur mit aller Kraft.
Wir haben verkümmerte Nasen
Vielleicht riechen sie auch rein gar nichts. Weder den frühen Herbst noch den zu Ende gehenden Sommer. Denn tatsächlich ist unser Geruchssinn verkümmert, wie eine Studie der Uni Bayreuth darlegt. Aus einstmals grossartigen Riechorganen haben sich armselige Nasen entwickelt. Da lesen wir, dass wir eigentlich sage und schreibe 10 Millionen Riechzellen in der Nase haben. Mit denen könnten wir um die 10'000 verschiedene Düfte unterscheiden und wahrnehmen. Und zwar bereits in geringster Konzentration. Kann das wahr sein? Offenbar. Aber eben nur theoretisch. Das darf nicht sein, meint man im Entlebuch. Düfte gehören zu einem guten, unverfälschten Leben. Sie sind mit Erinnerungen an gute alte Zeiten verknüpft. Etwa an die sonnenwarmen Tomaten im Garten der Grosseltern. Die brutzelnden Zwiebeln, deren Duft durch das ganze Haus wabert und uns signalisierte: Mmmh, es gibt Älplermagronen! Kurzum: Düfte sind von grosser Bedeutung, weil es uns dank ihnen – wie der Entlebucher sagt – eifach besser geit.
Die Nase massieren Also fangen wir damit an.
Gehen wir zurück zur Natur. Zurück zum Leben mit seinen 10'000 Düften, heisst das Motto. Machen wir alles, damit die hier angefertigten Lebensmittel ihrem ursprünglichen Namen gerecht werden: Mittel zum Leben. Dieses wollen wir dank frisch massierten Rezeptormolekülen auf den Riechhaaren unserer Nase wieder als voll und rund wahrnehmen. Wie eine ausgezogene Antenne halten wir sie jetzt in die Luft. Steigen wir ein in die Entlebucher Berglandschaft und lassen wir uns von ihrem Duftcocktail umhüllen. Seit sie sich UNESCO Biosphäre nennen darf, werden die Wiesen schonend wie zu Grossmutters Zeiten gepflegt. Deshalb gedeihen hier wieder besonders würzige Wiesenarten, riechen wir Düfte wie grüner Tee mit der feinen Note von Citrus. Diese würzigen Gräser und Kräuter und die schonende Verarbeitung der Milch sind der Grund, warum Bergheumilch-Käsespezialitäten köstlich schmecken.
Die Industrie hat andere Spuren hinterlassen
Leider haben der Kostendruck und die damit verbundene Rationalisierung in der Landwirtschaft und Industrie andere Spuren hinterlassen. Früher verarbeitete ein Käser die Milch ausschließlich von nahegelegenen Bauernhöfen. Die Bauern fütterten die Kühe traditionell mit Heu und Gras. Dabei genossen die Kühe im Sommer eine Vielfalt von Gräsern. Im Winter frassen sie Heu. Vergorene Futtermittel wie Silage oder importiertes Soja haben die Bauern damals nicht eingesetzt. Entsprechend war es auch nicht nötig, die Milch zu pasteurisieren oder zu baktofugieren. Diese Verfahren beeinträchtigen das Geschmackserlebnis von Milch und Käse. Initiative für mehr Geschmack, Tierwohl und Biodiversität Vor rund zehn Jahren ergriffen 45 Entlebucher Bauern die «Bergheumilch-Initiative» und entschieden sich, ihre Kühe weiterhin mit Heu und Gras zu füttern und komplett auf Soja zu verzichten. Zudem dürfen die Kühe regelmässig auf die Weide. Die Bäuerinnen und Bauern fördern die Biodiversität auf dem Hof mit verschiedenen Massnahmen. Und mit Leidenschaft. Sie glauben daran, dass dies das einzige Richtige ist. Denn auch Kühe haben einen ausgeprägten Geruchsinn. Sie nehmen Düfte wahr, die bis zu zehn Kilometer entfernt sind. So wählen sie ihr Fressen (wie Heu und Gras) aufgrund der Düfte und diese manifestieren sich wiederum in der geschmackvollen Milch.
Doppelt so viele Omega-3-Fettsäuren
Bringt die Initiative den Menschen überhaupt etwas ausser erfüllte Sehnsüchte? Das Forschungszentrum Agroscope belegt mit Studien, dass Bergheumilch einen deutlichen ernährungsphysiologischen Vorteil hat. Denn der Anteil von Grünlandfutter (Gras, Heu) ist traditionell höher als im Tal. Bergheumilch enthält doppelt so viele Omega-3-Fettsäuren als herkömmliche Milch. Es sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die unser Körper nicht selbst produzieren kann. Da sie lebensnotwendig sind, müssen wir sie mit der Nahrung zuführen.
Die Düfte stecken in der Bergheumilch-Butter, im Edelweiss-Käse und im Marbacher Mozzarella
Kein Wunder, schwören die Entlebucher Käser auf diese Bergheumilch, welche sie tagesfrisch und naturbelassen wie früher in ihrer Käserei verarbeiten. Die Palette ihrer Bergheumilch-Spezialitäten ist so vielfältig wie eine Entlebucher Wiese. Wollen wir sie uns anschauen? In der Spezialitätenkäserei Schüpfheim finden wir die Bergheumilch-Butter, in der Bergkäserei Oberberg den Bio-Bergblütenkäse, in der Biosphäre Bergkäserei in Doppleschwand den Goldwäscher-, Enzian- und Edelweisskäse sowie das Bergheumilch-Fondue und in der Bergkäserei Marbach entdecken wir den Bergheumilch-Mozzarella. Alle diese Köstlichkeiten hält auch Coop für uns bereit.
Die Entlebucher Bergluft zieht um die Welt
Kakaobohnen und Heu haben eines gemeinsam. Ihr Duft macht Lust auf mehr solche Lebensmittel. So ist es naheliegend, dass inzwischen auch Schokoladenhersteller und Confiserien die geschmackvolle Bergheumilch aus dem Entlebuch entdeckt haben. Max Felchlin produziert in Schwyz Schokolade-Ouvertüren mit Entlebucher Bergheumilch, welche Confiserien auf der ganzen Welt für ihre Premium-Milchschokolade verwenden. Welch ein Geschenk der Natur. Dank dem nachhaltig-sorgsamen Handeln der Entlebucher entwickeln sich wieder zarte Düfte. Sie werden in Produkte überführt und ziehen dann um die Welt. Schnüren wir nicht nur die Schuhe Liebe Wanderfreunde. Beenden wir für heute unseren Streifzug durch die frühherbstlichen Bergwiesen des Entlebuchs, vorbei an den aktiven Bauern und Käsern und ihren Produkten, die das Leben feiern. Vielleicht tunken wir unsere Gabeln jetzt in ein cremiges Bergheumilchfondue. Und wenn wir das nächste Mal wandern gehen, schnüren wir nicht nur die Schuhe. Sondern wir massieren vielleicht unsere Nase, atmen tief ein und begeben uns wie grosse Riechkönige auf die geheimnisvollen Spuren der 10'000 Düfte. Riechen das volle Leben mit Brombeeren, holzigem Leder und Grüntee mit einer zarten Citrusnote. Oder ganz andere Aromen. Verkümmerte Nasen? Das war gestern. Auch dank der UNESCO Biosphäre Entlebuch, welche als Modellregion für nachhaltiges Wirtschaften einen schönen Lebensraum und die wertvollen Düfte erhält.